
Missa Salisburgensis à 53 voci
Coro e Orchestra Concerto Stella Matutina
Thomas Platzgummer, direttore d’orchestra
Antonio Bertali(1605 – 1669)
Sonata Sancti Leopoldi
für 2 Trompeten, 3 Zinken, 4 Posaunen, Streicher und B.c.
Pavel Josef Vejvanovský (um 1633 -1693)
Sonata Ittalica à 12
für 3 Trompeten, 2 Zinken, Streicher und B.c.
Henricus Aloysius Brückner (2. Hälfte des 17. Jh.)
Sonata Solennes à 20
für 5 Trompeten, Pauken, 2 Zinken, 2 Blockflöten, 4 Posaunen, Streicher und B.c.
Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 – 1704)
Missa Salisburgensis à 53 voci
für 16 Gesangssolisten, 10 Trompeten, Pauken, 2 Zinken, 3 Posaunen, 2 Oboen, 4 Blockflöten, 4 Violinen, 8 Bratschen, 2 Celli, Violone, 2 Orgeln
Kyrie
Gloria
Credo
Sanctus
Benedictus
Agnus Dei
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Zur rechten Zeit am rechten Ort …
… war der Salzburger Domchordirektor Innozenz Achleitner, als ihm in den 1870er-Jahren bei seinem Lebensmittelhändler eine gigantische Partitur in die Hände fiel. Die als Verpackungsmaterial bereitgelegten riesigen (82x57cm), dicht beschriebenen Papierbögen wären wohl im Salzburger Hausmüll gelandet, hätte der aufmerksame Kirchenmusiker seinen Einkauf an einem anderen Tag erledigt. So verdanken wir es diesem glücklichen Zufall, dass uns die Missa Salisburgensis, eine der größten Messvertonungen der Musikgeschichte erhalten geblieben ist. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Werke im Laufe der Zeit ähnlich profanen Umständen tatsächlich zum Opfer fielen. Da das Manuskript eines unbekannten Schreibers keinen Komponisten nennt (ein Deckblatt war nicht mehr vorhanden – vielleicht
beschützte es ein Bündel Gemüse …?) gingen die Musikkundigen Ende des 19. Jahrhunderts von Orazio Benevoli als Urheber aus. Der römische Komponist des Frühbarock war damals der bekannteste Vertreter solch kolossaler Messvertonungen im römisch-venezianischen Stil, der sich durch die Aufteilung der Stimmen auf mehrere „Chöre“, die im Kirchenraum verteilt aufgestellt sind, auszeichnet. Erst durch die umfangreichen Untersuchungen des Salzburger Musikwissenschaftlers Ernst Hintermaier in den 1970ern konnte Heinrich Ignaz Franz Biber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit als Schöpfer der Missa Salisburgensis identifiziert werden.
Die 53(!) Stimmen der Messe sind auf acht Chöre verteilt: zwei Trompetenchöre mit Pauken, zwei Vokalchöre mit Orgel, zwei Streicherchöre, einen Holzbläserchor mit Flöten und Oboen sowie einen Zinken und Posaunenchor. Den auch heute noch vorhandenen räumlichen Gegebenheiten des Salzburger Doms entsprechend waren diese Musikergruppen auf die Emporen der Eckpfeiler sowie den vorderen Kirchenraum verteilt. Der berühmte Kupferstich von Melchior Küsel von 1682 zeigt genau diese Situation, ja vielleicht sogar die tatsächliche Aufführung der Missa während eines Hochamtes. Damit in der riesigen Kirchenakustik ein gemeinsames Musizieren überhaupt möglich wird, sind die 53 Stimmen natürlich nicht völlig eigenständig, sondern gehen im Wesentlichen mit den acht Gesangsstimmen „colla parte“ (zusammen). Nur die Soloviolinen und hohen Clarintrompeten der jeweilgen Chöre treten immer wieder aus dem großen Geschehen hervor.
Verglichen mit den ansonsten bescheidener gehaltenen musikalischen Gepflogenheiten der Salzburger Kirchenmusik stellt eine so übergroß besetzte Messe damals eine absolute Besonderheit dar, der ein entsprechend wichtiger Anlass zugrunde gelegen sein muss. In der fraglichen Zeitspanne bietet sich eigentlich nur die 1100-Jahr Feier des Erzbistums Salzburg im Jahre 1682 an. Die Feierlichkeiten begannen bereits am Vortag zum Gründungstag des Erzstiftes durch den Heiligen Rupert, am Samstag den 17. Oktober 1682 und dauerten wie damals noch üblich vom eigentlichen Feiertag eine Woche lang. Während dieser „Oktave“ (achttägigen Feierwoche) wurden zahlreiche Prozessionen mit den Reliquien der Stadtheilgen St. Rupert und St. Virgil, Hochämter in den Salzburger Hauptkirchen und zahlreiche andere weltliche wie geistliche Zeremonien abgehalten -stets mit der entsprechenden Umrahmung durch die Erzbischöflichen Musiker. Als würdigen Aufführungstag der Missa Salisburgensis bietet sich das Hochamt de SS Trinitate am 18. Oktober an, das vom Erzbischof Max Gandolph höchstselbst abgehalten wurde. Vermutlich am gleichen Tag erklang auch der Hymnus Plaudite tympana, der genau dieselbe Besetzung wie die Messe verlangt und in deren Anhang zu finden ist.
Heinrich Ignaz Franz Biber war zu dieser Zeit Vizekapellmeister der Erzbischöflichen Kapelle und stand bei seinem Dienstherrn Maximilian Gandolph Graf von Kuenburg in hohem Ansehen, seit er sich 1670 zugunsten einer Anstellung in Salzburg unerlaubt aus den Diensten des ebenso kunst- und musikverständigen Fürstbischofs von Olmütz Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn entfernt hatte. Das erklärt vielleicht, warum nicht der eigentliche Hofkapellmeister Andreas Hofer mit der ehrenvollen Aufgabe der Komposition unserer Missa Salisburgensis beauftragt wurde. Vielleicht war dieser von der Bereitstellung diverser musikalischer Dienste zum Hochfest aber auch einfach anderweitig eingenommen. Die Anlässe für solche Dienste waren vielfältig und betrafen je nachdem nur eine bestimmte Instrumentengruppe oder gemischte Ensembles mit den damals üblichen Instrumenten wie Violinen und Violen, Zinken, Posaunen und den besonders in Salzburg so hochgeschätzten und fähigen Trompeten und Pauken. Es wurde zu Prozessionen gespielt, zur Tafel, im Gottesdienst und natürlich zur Repräsentation, die in einem Kirchenstaat wie dem
barocken Salzburg immer geistliche und weltliche Macht gleichermaßen demonstrieren sollte. Die entsprechenden Werke kamen von den Hofkomponisten beziehungsweise deren Kollegen von anderen Höfen, mit denen sie in Kontakt standen. Ein reger Austausch fand zwischen Biber in Salzburg und seinem alten Freund und Kollegen Pavel Vejvanovsky an seiner ersten Arbeitsstelle in Kremsier/Olmütz statt. Vejvanovsky verdanken wir nicht nur ein großes eigenes Werk, sondern auch die Überlieferung der meisten Werke von Biber und vieler anderer Komponisten der Zeit, die dank seiner fleißigen Kopierfeder nur in Kremsier erhalten geblieben sind. Dazu gehören auch Werke von Henricus Aloysius Brückner, von dem wir gar nichts wissen, außer dass er zumindest in Böhmen einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben muss, sowie zahlreiche Abschriften des kaiserlichen Violinisten und Hofkompositeurs Antonio Bertali aus Wien. Viele dieser teils sehr groß besetzten Werke, wie jene des heutigen Abends, weisen eine für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts typische reiche, gemischte Instrumentierung auf, die die Vorzüge der jeweiligen Instrumentengruppen zu unterstreichen weiß. Sie geben auch heute noch einen prachtvollen Eindruck davon, wie man sich vor 350 Jahren eine Musik zu Ehren Gottes und seines Stellvertreters auf Erden vorgestellt hat.
Lucas Schurig-Breuß
Concerto Stella Matutina Seit seiner Gründung im Jahr 2005 hat sich das Vorarlberger Barockorchester Concerto Stella Matutina einen fixen Platz in der Reihe der führenden Originalklang-Ensembles Österreichs erspielt. Künstlerischer Nabel ist die eigene ABO-Reihe im Kulturzentrum AMBACH in Götzis, wo seit 2008 mehr als 80 verschiedene Programme abseits des Mainstreams entstanden, die zum Teil vom Ensemble selbst, oder zusammen mit interessanten Gästen erarbeitet werden, wie Alfredo Bernardini, Rolf Lislevand, Christophe Coin, Erich Höbarth, Hiro Kurosaki u.v.a.
Gastspiele führten das Concerto Stella Matutina zu vielen renommierten Festivals wie den Internationalen Barocktagen Stift Melk, Jeunesse Wien, Origen Festival Graubünden, Rheingau Festival, Bodenseefestival, Festival Musik und Kirche Brixen, Heinrich Schütz Musikfest Dresden, sowie an das Konzerthaus und den Musikverein Wien u.v.a.
Dokumentiert wird die Arbeit von Concerto Stella Matutina durch regelmäßige Übertragungen in Radio Vorarlberg, Ö1, Bayern Klassik sowie SRF2 und etliche CD-Produktionen. Die CD „Nuove Invenzioni“ wurde mit dem OPUS Klassik 2019 in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“ ausgezeichnet!
Die fortwährende Begeisterung und das enorme Engagement von allen verschafft dem „CSM“ eine Authentizität, die immer wieder aufs Neue sympathisch wirkt. Und wohl genau auch darin liegt der Erfolg des Barockorchesters begründet.
Zur Geschichte
Stella Matutina ist der Name des ehemaligen Jesuitenkollegs in Feldkirch, dessen Gebäude seit 1977 das Landeskonservatorium für Vorarlberg beherbergt. Für die meisten Mitglieder des CSM war dieser Ort der Beginn ihrer musikalischen Profi-Karriere. Manche sind inzwischen sogar als Lehrende hierher zurückgekehrt. Diese gemeinsamen prägenden Lehrjahre in der zum Teil jahrzehntealte Kollegen- und Freundschaften entstanden, bilden einen gesunden Nährboden für die fruchtbare Arbeit bei CSM.
Thomas Platzgummer
ist ein österreichischer Cellist und Dirigent und verbrachte seine Studienjahre in Feldkirch, Salzburg, Wien und Graz. Er ist der Gründer und Leiter der Operettenfestspiele Murau, der Kammeroper Graz, sowie mit Miriam Feuersinger der Reihe Bachkantaten in Vorarlberg; Mitglied des Barockorchesters Concerto Stella Matutina, Coach und Lehrer von Instrumentalisten, Sängern und Ensembles. Er ist von der Barock- bis zur zeitgenössischen Musik zu Hause und beschäftigt sich ebenso intensiv mit Kammer- und Orchestermusik wie mit Oper und Operette. Er dirigierte über 60 Opern von Monteverdis „L’Orfeo“ bis Hermann Nitschs „Orgien Mysterien Theater“ sowie wie mehr als 30 Kantaten von Bach, große sinfonische Werke von Mahler, Bruckner, Holst und eine Vielzahl von Uraufführungen. Auftritte bei den Salzburger Festspielen, Bregenzer Festspielen, dem Osterklang Wien, beim Rheingau Musikfestival, den Magdeburger Telemann Festtagen, dem Heinrich Schütz Musikfest Dresden, etc. Seit seiner Gründung 2017 ist Platzgummer Musikalischer Leiter und Dirigent des Landesjugendsinfonieorchesters Steiermark

